AUSSTELLUNG


Ausstellung vom 27.2. bis 10.4.2016
Eröffnung der Ausstellung am Freitag, 26.2. um 19 Uhr


Halle / Empore:
›Land ohne Land‹

Michael Baers, Hera Büyüktaşçıyan, Cevdet Erek, Michaela Melián, Bassam Ramlawi und Mounira Al Solh, Zişan, İz Öztat und Mustafa Erdem Özler mit Baçoy Koop

kuratiert von Öykü Özsoy und Susanne Weiß

›Land ohne Land‹ ist der zweite Teil der Gruppenausstellung ›Es war einmal ein Land‹, die vom 28. November 2015 bis zum 14. Februar 2016 im Heidelberger Kunstverein sowie an fünf Satelliten-Stationen im öffentlichen Raum der Stadt zu sehen war.
Mit den historischen Entwicklungen nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und den Auswirkungen bis in die Gegenwart, auch außerhalb dieser Region, setzte sich die Ausstellung ›Es war einmal ein Land‹ auseinander.
›Land ohne Land‹ versammelt hingegen elf künstlerische Positionen und Herangehensweisen, die Land nicht nur als physischen Ort, sondern vielmehr als Möglichkeitsraum der Auseinandersetzung mit traumatischen Erfahrungen in einer instabilen Welt verstehen. Überlebensstrategien, die Prozesse der Heilung, des Widerstands und der Solidarität austasten, stehen dabei im Vordergrund.
Die Ausstellung zeigt künstlerische Arbeiten, die diejenigen Narrative und Perspektiven unserer geschichteten Gegenwart in den Mittelpunkt stellen, die einer gängigen Aufmerksamkeit und Geschichtsschreibung oftmals entzogen sind. Geschichte setzt sich aus Erzählungen zusammen, die von einer Generation zur nächsten getragen werden, von Stadt zu Stadt und Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent und die im Verlauf der Zeit ihre Gestalt verändern. Jeder von uns besteht aus zahlreichen Erzählungen, die Teil eines größeren Narrativs werden.
Die Installation ›Heimweh‹ der deutschen Künstlerin und Musikerin Michaela Melián versammelt eine Vielzahl von Glasobjekten wie Schüsseln, Vasen oder Glühbirnen auf einem Tisch, der von einem Diaprojektor so in Licht getaucht wird, dass an der Wand eine abstrakte Stadtlandschaft erscheint. Eine Audio-Aufnahme des Gedichtes ›Heimweh‹ (1909) von Else Lasker-Schüler auf Deutsch, Hebräisch und Arabisch ist in eine Komposition für Glasharmonika eingebettet. Mit ihrer Installation fokussiert Melián das jahrhundertelange Zusammenleben unterschiedlichster Kulturen im Nahen Osten und die politisch erzeugten Migrationsbewegungen. Körper und Geist sind im Exil auseinander gerissen, nur das Heimweh bleibt beständig.
Die neue Arbeit von İz Öztat und ihrem Alter Ego Zişan fragt danach, ob geometrische Abstraktion die Möglichkeit einer Darstellung bietet, wenn sich die Realität der Repräsentation verweigert. Kann sie eine Form sein, politische Gewalt und Trauma zu reflektieren und zu verarbeiten?
Bassam Ramlawi, im ›Basta‹-Viertel von Beirut wohnend, studierte Kunst in den Niederlanden und hat sich der Auseinandersetzung mit Protagonisten der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts (vor allem René Daniëls, Otto Dix und Cindy Sherman) ebenso wie seiner direkten Nachbarschaft (Frisör, Metzger und andere) verschrieben. Seine Zeichnungen treffen in der Ausstellung auf eine Video-Arbeit der libanesischen Künstlerin Mounira Al Solh, die wiederum Ramlawi porträtiert. Beide Werke handeln von den inneren Konflikten der Künstler mit einer Gesellschaft, die durch nationale, religiöse und kulturelle Subjektivierungsweisen Identitäten erstellt.
Mit seiner umfassenden Graphik Novel ›An Oral History of Picasso in Palestine‹ erzählt Michael Baers von einem Projekt des palästinensischen Künstlers Khaled Hourani. Pablo Picassos Gemälde ›Buste de femme‹ reiste 2011 für eine Ausstellung vom Van Abbemuseum in Eindhoven nach Ramallah. Versicherung, Transport, Bürokratie und die politische Situation vor Ort erforderten aufwendige Verhandlungen, die sich über zwei Jahre erstreckten. Hourani und die unterschiedlichen am Projekt beteiligten Personen werden zu Protagonisten in Baers detailreicher Erzählung, die zeigt, dass eine Narrativierung keine Reduktion von Komplexität bedeuten muss.
Hera Büyüktaşçıyans für die Ausstellung entwickelte Installation ›The book of all songs, the song of all books‹ befasst sich mit dem Codex Manesse, der reich bebilderten Großen Heidelberger Liederhandschrift. Büyüktaşçıyan eignet sich die mittelalterlichen Zeichnungen an und erweitert sie mit grafischen Details, die Sequenzen der Gegenwart festhalten. Akkumulierte Zeit und Erinnerung materialisieren sich in den Zeichnungen der Künstlerin, die Vergangenheit, Gegenwart und eine mögliche Zukunft ineinanderfließen lassen. ›Rulers and Rhythm Studies‹ von Cevdet Erek ist die einzige Arbeit, die sowohl in ›Es war einmal ein Land‹ als auch in ›Land ohne Land‹ zu sehen ist. Erek hat eine Serie verschiedenartiger Lineale so modifiziert, dass sie statt Längeneinheiten das Verstreichen der Zeit sowie besondere historische und persönliche Momente abmessen.

Öykü Özsoy arbeitet als freie Kuratorin. Von Juni 2013 bis September 2015 war sie International Fellow am Wilhelm-Hack-Museum im Rahmen des von der Kulturstiftung des Bundes initiierten Programms ›Fellowship Internationales Museum‹. Zuvor war sie Direktorin des ›Full Art Prize‹ (2011 – 2012) und koordinierte u.a. das Programm des ›Garanti Contemporary Art Centers‹ (2002 – 2010). Ihr kuratorisches Interesse liegt auf forschungsbasierten künstlerischen Praktiken, insbesondere Strategien der Partizipation, Zusammenarbeit und Wissensproduktion.

 

 

Studio:
›Arrangement
Positionen zur Haager Konvention in Heidelberg‹

Johanna Hoth

Im Studio des Heidelberger Kunstvereins vereint die Ausstellung ›Arrangement‹ von Johanna Hoth Blumengestecke für Bauten der Stadt Heidelberg, die unter dem Schutz der Haager Konvention von 1954 stehen. Diesem von der UNESCO initiierten Abkommen kann jeder Staat freiwillig beitreten und verpflichtet sich so, im Kriegsfall mit einem anderen Teilnehmerstaat Kulturgüter nicht zu attackieren oder zu plündern, sondern zu respektieren. Die Auswahlkriterien für schützenswertes Kulturgut sind dabei von außen nicht immer klar nachzuvollziehen und zeigen, wie sehr Kultur und ihre Bewertung an die jeweilige Gesellschaft und ihr Zeitverständnis gebunden sind.
Anhand der geschützten Denkmäler der Stadt Heidelberg nähert sich die Künstlerin Johanna Hoth der Frage, was politisch als schützenswert gilt und wie sich darüber verhandeln lässt: Was bedeutet es, etwas unter Schutz zu stellen? Wie kommt eine Auswahl zustande? Nach welchen Kriterien wird hierdurch Identität vermittelt?
In einem aufwendigen Rechercheprozess tritt Johanna Hoth in Austausch mit den Institutionen und Mietern der Gebäude, ermittelt florale Gestaltungen vor Ort und lässt diese für die Ausstellung reproduzieren. Ob Blumengestecke im Kirchenraum, Bestandteile der floralen Außengestaltung an Fassaden und Balkonen oder üppiges Dekor bei festlichen Anlässen – jeder geschützte Bau hat in der Ausstellung sein florales Pendant. Blumenarrangements, die in niederländischen Stillleben ihrem reellen Verfall trotzen und Motive der Vanitas sind, werden bei Johanna Hoth zu Repräsentanten von denkmalgeschützten Gebäuden und Kulturgut, das ebenso vergänglich ist und vor Zerstörung bewahrt werden soll. Der Vanitas-Effekt wird konkret, wenn die Blumenarrangements während der Ausstellungsdauer zerfallen und ihre Schönheit vergeht. Durch Kontrastieren von Bausubstanz und Vegetation entsteht Raum, um über den Umgang mit Kulturgut nachzudenken und zu diskutieren.

Johanna Hoth (* 1987) arbeitet interdisziplinär im künstlerischen und kuratorischen Bereich. Sie studierte an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, ist Mitbegründerin des Feministischen Arbeits-Kollektiv (FAK) und war im Winter 2013/14 als Interims-Leitung des Architekturschaufenster e. V., Ausstellungsraum für architektonische und urbanistische Fragen, tätig.

 

 

 

 

Halle:
›Jahresgaben 2015‹

Yvon Chabrowski, Corinne Chotycki und Jörg Baier, Antje Engelmann, Wilhelm Klotzek, Lena Inken Schaefer, Sarah Schumann, Peter Woelck und Sati Zech

Für das Jahr 2015 bietet der HDKV acht Jahresgaben an, darunter Fotoarbeiten, Malerei, Textil-Arbeiten sowie eine Yogarette aus Kunstleder.
Weitere Informationen zu den einzelnen Werken finden Sie in unserem Jahresgaben-Leporello und hier.

 

Baçoy Koop: ›Birding, image to be reproduced as pamphlets‹,
Filmstill, 2016

 

 

 


Michaela Melián: ›Heimweh‹,
Installation mit Diaprojektion und Tonspur, 2012

 

 

 

Michael Baers ›An Oral History of Picasso in Palestine‹, 2014

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johanna Hoth: Ansichten der Ausstellung ›Arrangement‹ im Heidelberger Kunstverein, 2016
Fotos: Harald Bogdan

 

 

Heidelberger Kunstverein
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